Die Form der schmalen Fensterbilder kommt nicht so sehr aus der Kunstgeschichte als vielmehr aus der tristen Zweckarchitektur von Mietshäusern der 50er und 60er Jahre. Armin Saub hat von seinem Atelier in München-Milbertshofen aus gesehen, wie sich diese tagsüber bleiernen Fensterhöhlen nachts durch die Beleuchtung verändern und zu hellen Aquarien werden, die etwas vom Innenleben der Häuser zeigen. "Erst nachts, wenn Licht in den Fenstern ist, wird das Haus lebendig. Tagsüber müsste man Farben in die Fenster stellen. Bilder der Gegenwelt. …Die Fenster wurden für mich zu Formen architekturbezogener Malerei, ein Zeichen des Austausches von Innen und Außen, der Entgrenzung."
Die architekturbezogenen Bildformate sind der Alltagswelt entnommen und kehren in einer verfremdeten überraschenden Dimension wieder in sie zurück: keine Monumentalmalerei, sondern Membranen, die Einblicke in Innenräume und Ausblicke nach draußen ermöglichen und damit den vorgegebenen Raum durchlässig und neu erfahrbar machen. "In die Mauerecke eines Zimmers gehängt, kann der Eindruck entstehen, als trete das schmale Bild in den Raum, oder verlasse diesen unhörbar. Eine Art Symbiose von Erscheinen und Verschwinden, vom Sichtbaren und Unsichtbaren der Malerei."
Die architekturbezogenen Bildformate können Bildschnitte sein oder Bilder, die im Raum trudeln und von denen nur ein Teil sichtbar ist. Das Fragment entsteht dabei nicht als Reduktion, sondern durch Überfluss: aus dem Ganzen, aus dem Hinterland des Bildes, das nur zu erahnen ist, hebt man ein Fragment.
Die architekturbezogenen Bildformate sind nicht nur Durchblick und Öffnung, sondern gleichzeitig auch plastische Gebilde, dreidimensionale Gegenstände mit bemalten Kanten. Mit diesem Reliefcharakter bewegen sie sich von der Wand in den Raum hinein, sie sind gleichsam Drehbilder.
Zitate aus den Notizen von Armin Saub, ab 1978.
Die Idee für diese Installationen mit Fensterbildern entstand, weil Armin Saub von der Gewohnheit der Menschen in südlichen Ländern, jeden Abend scharenweise zum "Corso" auf die Straßen und Plätze zu gehen, sehr beeindruckt war: "Es muss ein Bedürfnis sein, sich zwischen den Häusern, unter einer Dusche aus Gesprächen, gleichzeitig zusammenzufinden und auseinanderzugehen… Der Corso ist das aufgebrochene Labyrinth der Passagen durch Zeitloses und Mode, des ekstatischen Gedankenaustausches, des spielerisch angenommenen Ein- oder Missverständnisses, das korrigierbar gehalten wird durch das Erscheinen der Menschen". Auf diese urbane Identität im Zusammenleben, im Vermischen von Öffentlichem und Privatem, beziehen sich Armin Saubs improvisierte Corso-Installationen, die Lust machen möchten an wechselseitiger Ergänzung zwischen den Bildern und den Betrachtern, die sich in diesem Bildercorso bewegen. Erstmals präsentierte Saub eine Corso-Installation in der Otto-Galerie in München, im April 1989.
Zitat aus Armin Saubs einführendem Text zum Faltblatt der Ausstellung CORSO, Otto-Galerie München, April 1989.